Hotel mit Stil
Es gibt Hotels, in die würde man gerne seinen Wohnsitz verlegen. Und es gibt Hotels, bei denen es nicht so ist …
Da ich beruflich sehr viel auf Reisen bin, übernachte ich dementsprechend oft in Hotels.
Mal suche ich mir selber ein passendes Haus, mal haben meine Auftraggeber Verträge mit bestimmten Anbietern und reservieren mir ein Zimmer im Voraus.
Vor kurzem war, bei einem Seminar im Süddeutschen, letzteres der Fall.
Ich bekam von meinem Kunden die Adresse des Hotels per eMail, vergewisserte mich sicherheitshalber bei Google Maps, dass ich es auch finde und freute mich auf eine schöne Ankunft nach einem anstrengenden Seminartag und einer längeren Anreise.
Das Wetter an jenem Abend war schön, also entschloss ich mich, auf das Taxi zu verzichten und die rund 800 m vom Bahnhof zu Fuß zurückzulegen. Da ich in der Regel nicht viel von den Städten, in denen ich arbeite, mitbekomme (Marke: Flughafen-Taxi-Hotel-Seminarraum-Taxi-Flughafen), genieße ich diese „Kurz-Erkundungen“.
Natürlich begann es auf gut der Hälfte der Strecke zum Hotel zu regnen.
Natürlich hatte ich keinen Regenschirm dabei, denn der lag trocken und sicher im Auto. Das wiederum stand ebenso trocken und sicher in der Tiefgarage am Flughafen Berlin-Tegel.
Also gut – Mann oder Memme? Klar, also weiter zu Fuß.
Die 800 m entpuppten sich als gefühlte 2 km, als ich durch meine nicht Nanoeffekt beschichteten Brillengläser ein Leuchtschild entdeckte, das irgendwie auf ‚Hotel‘ hindeutete. Ich hatte es geschafft.
„Guten Abend, Herr Schaumann! Herzlich Willkommen im XY-Hotel, wir freuen uns sehr, dass Sie da sind. Darf ich Ihnen ein Raucher- oder lieber ein Nichtraucherzimmer anbieten? Zur Straße oder lieber zum Park? Der Spa-Bereich hat für Sie bis …“ Halt! Aufhören zu träumen, ich musste die letzten 50 m erst noch durch den Regen zurücklegen.
Im Hotel erwartete mich ein Traum in türkis, so wie es bis Mitte der 80er hochaktuell war.
Den Namen der Hotel-Kette möchte ich hier nicht verraten. Nach wenigen Minuten begrüßte mich ein (im Rahmen seiner Möglichkeiten) bemühter Herr hinter dem Rezeptionstresen und suchte verzweifelt nach meiner Reservierung.
Wenige Lidschläge später hatten wir uns über meinen Nachnamen geeinigt und er überreichte mir zwei Schlüssel. Einen für das Zimmer und einen für die Hoteltür, da die Rezeption nur bis 22:00 Uhr besetzt sei. Aha.
Da ich seit 10 Stunden nichts mehr gegessen hatte, erkundigte ich mich noch nach den Öffnungszeiten des Restaurants, zumal ich auf dem Weg vom Bahnhof keine gastliche Stätte hatte erblicken können.
Ach so, wie es um einen Internetzugang im Hotelzimmer bestellt sei, wollte ich noch rasch in Erfahrung bringen. Drahtlos nach Möglichkeit.
Zwar habe ich mich inzwischen daran gewöhnt, dennoch konnte ich auch dieses Mal über die (durchaus freundliche) Antwort nur mit dem Kopf schütteln: Eine Stunde EUR 9,00 und sechs Stunden EUR 29,00.
Bitte?! Nein, ich möchte nicht einen Computer mit Internetzugang und einer persönlichen Assistentin mieten. Ich möchte nur ins Internet.
Für EUR 29,00 bekomme ich zu Hause zwei Monate lang, rund um die Uhr 16 MBit/s geliefert. Ich werde nie verstehen, warum einige Hotels der Realität immer noch so weit hinterher hinken.
Aber kein Grund zur Aufregung, dafür habe ich ja meinen UMTS-Stick dabei.
Mein Zimmer lag im Erdgeschoss.
Mein Lieblingsstockwerk, da laufen nachts die Kaninchen immer so schön gegen die Terrassentür …
Welche Terrassentür? Ich schloss das Zimmer auf, erfreute mich an der konsequenten Fortsetzung des türkisen Retro-Charmes, schaltete das Licht an (obwohl es draußen noch recht hell war) und suchte das Fenster. Oh, da war es ja! Wie geschickt in einen herausstehenden Winkel am Ende des Zimmerschlauchs in die Wand eingelassen! (Das hatte der Architekt bestimmt in der Planung vergessen und musste es zur Strafe mit der Hand aus der Wand meißeln. Deswegen war es so klein.)
Aber gut, zu sehen gab es ja ohnehin nur die Einfahrt zur Tiefgarage und die graue Wand des Bürogebäudes auf der anderen Seite vom Hof.
Das absolute Highlight war die Begrüßungsüberraschung
(Sie wissen schon, das sind die Gummibärchen oder die Schoki auf dem Kopfkissen, der kleine Quietschfrosch im Bad usw.).
Auf einem kleinen, runden Tischchen stand, geschickt vor einem leicht klebrigen Ordner mit Informationen zur Hotelkette und neben einem Brandfleck angeordnet, ein Frühstücksteller.
Auf diesem Teller lag eine benutzte Serviette (zumindest stand schonmal etwas rundes darauf), darauf eine Art Obstmesser und eine Visitenkarte mit ‚Willkommen‘ darauf. Kein Obst.
Nur auf dem Schreibtisch stand eine Flasche zimmerwarmes Mineralwasser zum Spottpreis von EUR 5,90.
Aber das Wiener Schnitzel zum Abendessen war klasse!
Verriss, Verriss, wie stillos…
Aber ja, das soll es geben. Dann habe ich zwei Möglichkeiten, ich stimme mit den Füßen ab, wie es ein guter Deutscher zu tun pflegt, oder ich wähle den Weg der freundlichen Kritik. Vielleicht will man mir ja zuhören, ist halt selber ein wenig kurzsichtig. Da sollen ja die anderen Sinne angeblich von gestärkt werden. Will man mir allerdings nicht zuhören oder kann es schlicht nicht, na ja, dann stimmen eben doch die Füße ab. In besonders schlechten Fällen steht das dann halt auch als Bewertung im Internet… Solange ich zahle, bin ich immer noch der König und bilde mir meine eigene Meinung.