Der Urlaubs-Knigge 2009

„Der Kluge bemüht sich, alles richtig zu machen. Der Weise bemüht sich, so wenig wie möglich falsch zu machen.“

Die Deutschen sind Weltmeister im Verreisen. Das hört man häufig.
Dass wir auch Weltmeister im Hinterlassen eines positiven Eindrucks sind, ist leider weit weniger häufig zu hören.
Woran liegt das? Vielleicht machen wir uns manchmal zu wenig Gedanken darüber, wie wir im Urlaub von unseren Gastgebern wahrgenommen werden.
Genauso, wie wir „die Italiener“ oder „die Japaner“ als Touristen in Deutschland wahrnehmen, werden wir im Ausland nicht als Max Mütze oder als Erika Erbse gesehen, sondern als „die Deutschen“.

Du bist Deutschland!

Urlaubs-Knigge

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Um diese Wahrnehmung positiv zu gestalten, hier ein paar Tipps aus dem Bereich Urlaubs-Knigge für die beliebtesten Urlaubsländer der Deutschen.

Österreich
Deutschlands „kleiner Bruder“ wird oftmals mit einem weiteren deutschen Bundesland verwechselt. Dabei unterscheidet sich Österreich, trotz der geografischen und sprachlichen Nähe, in vielerlei Hinsicht von Deutschland.
In Österreichs Großstädten stehen höfliche Umgangsformen im öffentlichen Leben ganz oben auf der Agenda. Das beginnt mit der Wertschätzung von (häufig männlichen) Servicekräften in Kaffeehäusern und Restaurants und deren selbstverständlicher Anrede mit „Herr Ober“. Überhaupt sind Anreden und Titel wichtiger als in Deutschland und sollten nach Möglichkeit auch beherrscht werden. Besitz eine Person einen Studienabschluss als Magister, wird sie auch mit „Frau/Herr Magister [XY] …“ angesprochen.
Achten Sie immer darauf, Ihrem österreichischen Gesprächspartner nicht das Gefühl zu vermitteln, eine Art „geografischer Blinddarm“ von Deutschland zu sein.

Dänemark

In Dänemark werden wir häufig mit sehr entspannten Umgangsformen überrascht. Was nicht gleichbedeutend ist mit schlechtem Benehmen, überhaupt nicht.
Vielmehr ist die in skandinavischen Ländern verbreitete, hohe Selbstverantwortung auch hier anzutreffen. Nach einer grundlegenden Sprachreform gibt es durch normale Kommunikationsbestandteile wie „Hallo“ und „Du“ von Anfang an eine größere Nähe als in der deutschen Sprache, in der Begriffe wie „Guten Tag“ und „Sie“ in der Kommunikation mit Fremden den Vorrang haben.

Erwarten Sie bitte, trotz sehr hoher Wahrscheinlichkeit, nicht von jedem Dänen, dass sie oder er sich mit Ihnen auf Englisch (oder gar auf Deutsch) unterhält. Es ist, wie in jedem anderen Land auch, ein Zeichen von Respekt und Wertschätzung, sich vor der Reise einen kleinen Grund-Wortschatz in der jeweiligen Landessprache anzueignen. Es ist von keinem Reisenden zu viel verlangt, „Danke“, „Bitte“, „Entschuldigung“ und Dinge wie „Können Sie mir bitte sagen/zeigen/bringen“ etc. zu lernen und auch anzuwenden. Sie werden überrascht sein, dass es darauf in der Regel eine freundliche Reaktion gibt und Ihr Bemühen honoriert wird.

Frankreich
Der Nationalstolz ist in Frankreich ebenso ausgeprägt wie das seit jeher „herausfordernde“ Verhältnis zu Deutschland.
Wenn Sie von vorneherein voraussetzen, dass jeder Franzose englisch spricht, werden Sie überrascht sein, wie selten solch eine Konversation zu Stande kommen wird. Sie werden dagegen wesentlich erfolgreicher sein, wenn Sie Ihr Schulfranzösisch hervorkramen und stotternd und stammelnd „radebrechen“, auch wenn die Brotbestellung beim Bäcker dadurch dreimal so lange dauert.

A propos Brot, während es in Deutschland bei Tisch nicht üblich ist, dürfen Sie mit einem Stück Baguette nach Herzenslust die Sauce vom Teller wischen und es in die Suppe tunken. Herrlich, oder?
Auf jeden Fall sollten Sie für gemeinsame Mahlzeiten mit Ihren französischen Gastgebern deutlich mehr Zeit einplanen als zu Hause, denn gemeinsam essen bedeutet auch zu kommunizieren. Und zwar ausgiebig.

Spanien
Sie werden in Spanien genauso mit lockerer Lebensart wie mit einer konservativen Grundhaltung konfrontiert werden.
Während es in den Urlaubsregionen des religiös geprägten Landes akzeptiert wird, dass es „Oben-ohne“- oder gar FKK-Strände gibt, werden Sie spanische Familien beim Stadtbummel so gut wie nie in nachlässiger Kleidung antreffen. Gepflegte Kleidung gehört zum öffentlichen Leben und ist, insbesondere im Beruf eine Art Statussymbol. Dabei spielen weniger Marken und Preis eine Rolle als vielmehr ein sehr gepflegtes Erscheinungsbild.

Ein spanischer Mann in der Stadt in kurzen Hosen? Nahezu undenkbar! Er würde sich der Lächerlichkeit preisgeben.
Ähnlich werden deutsche Männer gesehen, die in Muscle- oder Netz-Shirts, kurzen Hosen und Sandalen (eventuell sogar noch mit Socken darin) durch spanische Innenstädte bummeln – lächerlich und peinlich.
Es muss natürlich nicht der Anzug sein, dass verlangt kein Mensch von einem Urlauber. Eine lange Hose und ein gepflegtes Hemd (mit aufgekrempelten oder sogar kurzen Ärmeln), sowie geschlossene Schuhe sind für einen Bummel durch Palma oder Barcelona hingegen sicher nicht zuviel verlangt.

Italien
In Italien ist die gepflegte, aber lockere Lebensart in jeglicher Hinsicht zu Hause.
Kunst, gutes Essen und gut gekleidete Menschen – das ist das Bild, dass viele Deutsche von Italien haben. Zu Recht.

Wie können Sie sich in Italien sofort als (deutscher) Tourist zu erkennen geben?

  • Tragen Sie in der Stadt kurze Hosen und Sandalen
  • Bestellen Sie ab Mittags einen Cappuccino oder eine Latte Macchiato
  • Bestellen Sie Nudeln als Hauptgericht und
  • Verlangen Sie dazu nach einem Löffel

Türkei
Sie werden als deutscher Tourist möglicherweise erstaunt sein über das weltoffene Land und seine toleranten Menschen, wenn Sie vorher das Bild eines strengen, islamischen Staates im Kopf hatten.
Wahrscheinlich ist, dass Sie in türkischen Städten wesentlich seltener auf Kopftuch tragende Frauen treffen werden, als in deutschen Großstädten.
Dafür werden Sie häufig auf Angebote der Gastfreundschaft stoßen. Einladungen zum Tee oder zum Gespräch über Deutschland erhalten Sie am laufenden Band. Und es lohnt sich, diese auch einmal anzunehmen, denn nicht jeder möchte Ihnen sofort etwas verkaufen. Auch wenn viele Händler in Touristenregionen natürlich findige Geschäftsleute sind.

Bitte achten Sie, bei aller Toleranz der Türken darauf, im Sitzen niemandem die Schuhsohlen zuzuwenden, die linke Hand zu reichen oder in der Gegenwart gläubiger und praktizierender Muslime selbstverständlich Alkohol zu trinken.
Auch hier sollten Sie außerhalb des Pool-Bereichs Ihres Hotels möglichst wenig Haut zeigen. Also keine Bikini-Oberteile, Unterhemden, Shorts oder Flip-Flops in der Stadt.

Tunesien
Eines sollten Sie reichlich im Urlaubsgepäck haben – Zeit. Die werden Sie brauchen, denn Ihre arabischen Gastgeber sind sehr kommunikativ. Wenn Sie sich darauf einlassen, werden Sie aber viel über Land, Leute und Kultur erfahren, was Ihnen der mitgebrachte Reiseführer im Taschenbuchformat nicht bieten kann.

Sie werden in Tunesien einerseits weltoffene Menschen in entspannter Kleidung treffen und andererseits streng gläubige Muslime, die viel Wert auf Tradition legen.

Dazu gehört es auch, dass Frauen und Männer sich in der Öffentlichkeit nicht berühren. Das sollten Sie untereinander, insbesondere aber in der Kommunikation mit Ihren Gastgebern beachten.
Für Männer ist es vielleicht gut zu wissen, dass es ein positives Zeichen für gleichgeschlechtliche Interessenten darstellen kann, die Hand unter das Kinn zu legen.

Auch wenn der Kleidungsstil in Tunesien verbreitet sehr europäisch und entspannt ist, sollten Sie dennoch von zuviel Textilarmut absehen. „Oben ohne“ am Strand ist nach wie vor absolut tabu.

Falls Sie in einem Urlaubsland interessante Erfahrungen gemacht haben oder von besonderen Erlebnissen berichten können, schreiben Sie doch bitte einen Kommentar zu diesem Artikel.

Obama, die Queen und das strenge Protokoll

Da staunte die Weltöffentlichkeit nicht schlecht

Das diplomatische Protokoll war „not amused“.
Von der Missachtung protokollarischer Grundregeln war die Rede, die Queen dürfe schließlich von niemandem körperlich berührt werden. Nicht einmal von ihrem Ehemann (zumindest in der Öffentlichkeit).
Und dann kommt ein gerade einmal 45-jähriges Küken aus dem fernen Amerika und umarmt ihre Majestät …

Doch damit nicht genug.
Michelle Obama und Queen Elizabeth IINeben dem Treffen im Buckingham Palace stand auch ein Termin mit Premierminister Brown auf der präsidialen Agenda.
Beim Eintritt in seinen Dienstsitz mit der Hausnummer 10 pflegt der britische Regierungschef wort- und grußlos den in der Downing Street wachthabenden Polizisten links stehen zu lassen. Nicht so Barack Obama. Als er gemeinsam mit Gordon Brown auf die Eingangstür zusteuert, begrüßt er den Wachmann mit einem Handschlag nebst einigen freundlichen Worten.

Und Herr Brown? Im Gegensatz zu seinem Amtskollegen schlägt er die ausgestreckte Hand des Polizisten aus. Zwar steht es diesem rein protokollarisch nicht zu, dem Premierminister den Körperkontakt anzubieten, die zum Gruß ausgestreckte Hand auszuschlagen ist jedoch ganz schlechter Stil. Für eine Nähe zu seinen Mitbürgern spricht das gewiss nicht, Herr Brown …

Wenige Stunden nach diesen „unglaublichen Vorfällen“ begann mein Telefon, heißzulaufen.
Journalisten diverser Medien wollten unbedingt ein Statement aus Sicht des Stiltrainers dazu haben. „Durfte Frau Obama die Queen umarmen?“, „Wie hätte die First Lady sich verhalten müssen?“, „Was sagt die Etikette dazu?“, „Hat der amerikanische Präsident den Premier durch sein shake hands mit dem Polizeibeamten düpiert?“ undsoweiterundsofort …

Meine Meinung dazu? – Wenn ich mir beide Situationen anschaue, habe ich das Gefühl, dort Menschen zu sehen. Keine steifen und unnahbaren Funktionsträger, die aus Angst, das strenge Protokoll zu verletzen, ein vollkommen irreales Verhalten zeigen.

Queen Elizabeth II - Michelle Obama

© Foto AP

Dass die Queen keineswegs „not amused“ war, lässt sich unschwer an ihrer Reaktion erkennen. Anstatt ihre Handtasche über den anderen Arm zu hängen (was als sicheres Zeichen dafür gilt, dass sie verärgert ist), legte auch sie den königlichen Arm um die smarte Amerikanerin.

Huch, das gab es ja noch nie …!
Auch der Polizist in der Downing Street schien alles andere als unangenehm berührt zu sein. Wenngleich es sicher mehr als ungewöhnlich für ihn war.

Während eines Treffens mit den Protokollverantwortlichen großer deutscher Unternehmen und Verbände im vergangenen Jahr diskutierten wir über Sinn und Hintergründe des Protokolls in verschiedenen Situationen. Der einstimmige Tenor dabei war:
Das Protokoll ist für die Menschen da und nicht umgekehrt.
Abweichungen davon treiben zwar den protokollarisch Verantwortlichen ab und zu die Schweißperlen auf die angestrengte Stirn, zeigen jedoch, dass hier lebendige Menschen agieren und keine Automaten. Und das ist auch gut so.

Übrigens sieht das Protokoll auch den Austausch von Gastgeschenken vor. Und jetzt raten Sie mal, was der amerikanische Präsident der britischen Königin mitbrachte. Richtig – einen iPod! Bestückt mit diversen Fotos und Videos ihrer Besuche in den Vereinigten Staaten sowie mit einer Liste von Musikstücken aus Musicals, die sie mag.

Können die das wirklich machen? – „Yes, they can!“